Gesundheitliche Versorgung

Gesundheitsversorgung

Das deutsche Gesundheitssystem ist ein sogenanntes duales Krankenversicherungssystem.  Etwa 85 Prozent der Gesamtbevölkerung Deutschlands sind in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Darüber hinaus existieren private Krankenversicherungen (PKV). Gesetzlich Versicherte können sich auch privat zusatzversichern. 

Von großer Bedeutung für das deutsche Gesundheitssystem sind zwei Besonderheiten: die Selbstverwaltung und das Sachleistungsprinzip in der GKV. 

Krankenkassen und Kassenärztliche Vereinigungen sind Körperschaften des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung. Sie erfüllen die ihnen gesetzlich übertragenen Aufgaben in eigener Verantwortung. Der Staat gibt lediglich den rechtlichen Rahmen vor und führt die Rechtsaufsicht.  

Zudem gibt es eine gemeinsame Selbstverwaltung der Leistungserbringer und Kostenträger. Ohne direkte staatlicher Vorgaben gestalten die Akteure der Selbstverwaltung gemeinsam viele Aspekte des Gesundheitssystems näher aus. Wichtigstes Organ auf Bundesebene ist hier der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA). Dieser hat unter anderem zu entscheiden, welche medizinischen Leistungen in den Leistungskatalog der GKV übernommen werden und welche nicht. Auf Bundes- wie Landesebene wirken Patientenvertreter*innen in den Gremien der Selbstverwaltung mit (siehe „Patientenbeteiligung“). 

Durch das Sachleistungsprinzip erhalten GKV-Versicherte medizinische Leistungen, ohne in Vorleistung gehen zu müssen. Die Leistungserbringer wie Ärzt*innen, Apotheken und andere Anbieter von Gesundheitsleistungen, rechnen direkt mit den Krankenkassen bzw. in der vertragsärztlichen Versorgung mit den Kassenärztlichen Vereinigungen ab. 

Sektorentrennung  

Ein weiteres Charakteristikum des deutschen Gesundheitssystems ist die starke Trennung zwischen ambulantem Sektor (niedergelassene Vertragsärzte) und stationärem Sektor (Krankenhausversorgung). Leistungen werden hier nicht nur unterschiedlich organisiert, sondern unterliegen in ihrer Bewertung auch unterschiedlichen Kriterien. Die Sektorentrennung führt auch zu Problemen für Patient*innen. Diese reichen von Zeitverlusten in der Behandlung über suboptimale Behandlungsergebnisse bis hin zu einem höheren Abstimmungsbedarf an den Sektorengrenzen. Ziel einer sektorenübergreifenden Versorgung müsste es sein, die Schnittstellen zwischen den Sektoren und Professionen zu überwinden und eine kontinuierliche, im medizinischen und menschlichen Sinne optimale Behandlung aller Patient*innen zu gewährleisten.  

Gesundheitsversorgung von Menschen mit Behinderung / chronischer Erkrankung 

Eine gute und zuverlässige Gesundheitsversorgung ist für alle Menschen wichtig. Für Menschen mit Behinderung oder chronischen Erkrankungen ist das Thema aber von besonders hoher Bedeutung. Viele von ihnen, etwa Menschen mit geistiger oder mehrfacher Beeinträchtigung, haben ein erhöhtes Risiko zu erkranken. Zudem ergeben sich zahlreiche Herausforderungen rund um die medizinische Versorgung. Dies betrifft die ambulante Versorgung ebenso wie Krankenhausaufenthalte. Der bei unterschiedlichen Behinderungsformen schwierigere und langwierige Zeit- und Ressourceneinsatz für Diagnostik, Untersuchung und Therapie wird in der gängigen Abrechnungslogik nicht entsprechend abgebildet. Der Aspekt der meist nicht gewährleisteten Barrierefreiheit erschwert die Suche nach einer geeigneten Arztpraxis für viele Menschen mit Behinderung zudem in hohem Maße. Eine gesetzliche Verpflichtung zur barrierefreien Gestaltung von Praxisräumen besteht nach wie vor nicht. Ärztlichem Personal und Pflegekräften fehlt es häufig an behinderungsspezifischen Kenntnissen und solchen in spezifischen Kommunikationsformen.  

So kommt es oft zu wechselseitiger Überforderungen, die im zu erschwerten oder gar ausbleibenden Untersuchungen und Behandlungen führen können. Die erschwerte Diagnosestellung und Behandlung kann aber auch durch teils veränderte Krankheitsanzeichen oder eine eingeschränkte Selbstbeobachtungsfähigkeit der Patient*innen, sowie Abwehrreaktionen in der Untersuchungssituation zurückzuführen sein. 

Obwohl Deutschland sich nach Art. 25 und Art. 9 der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) verpflichtet hat, eine gute, zugängliche, diskriminierungsfreie und umfassende Gesundheitsversorgung für Menschen mit Behinderung sicherzustellen, wird diesen Besonderheiten im deutschen Gesundheitssystem immer noch zu wenig Rechnung getragen.